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15. Okt, 2002
14:04 MEZ Politstreit um die Nestroy-Gala
ÖVP wirft SPÖ Politik aus Sanktionenzeit vor - Claus Peymann verzichtet
auf Preis Nachlese
Wien, Wien und noch einmal: Wien!
Am Samstag wurde zum dritten Mal nachdrücklich bewiesen: Der Nestroy-Preis
ist ein Unsinn
Wien - Die Abrechnung von Andre Heller und Andrea Eckert mit der schwarz-blauen
Regierung bei der Nestroy-Gala am Samstag führt nun im Wahlkampf zu heftigen
Attacken der ÖVP gegen die SPÖ. ÖVP-Klubobmann Khol und Umweltminister
Wilhelm Molter warfen am Dienstag der SPÖ vor, hinter dieser Kritik zu
stecken und damit eine Politik wie in der Zeit der Sanktionen der anderen EU-Staaten
gegen Österreich zu betreiben. Als Beleg dafür führten sie an,
dass sich der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Josef Cap nicht
davon distanziert habe.
Die SPÖ versuche mit "Mitteln der Vergangenheit" Politik zu machen.
Sie habe in der Vergangenheit die Antwort dafür erhalten und sie werde
sie auch jetzt wieder bekommen. Niemand wolle eine Politik mit einer solchen
"menschenverachtenden Sprache". Das sei "Politik aus dem Container",
Heller und Eckert hätten ihre Äußerungen im Einvernehmen mit
der SPÖ geplant, meinten Khol und Molterer in einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Heller hatte in seiner Laudatio auf Claus Peymann, der den Nestroy für
sein Lebenswerk erhielt, ein "Märchen" über einen Politiker
erzählt, der sich in einem "zynischen Egotrip" zum Kanzler gemacht
und dabei sein Land ins Unglück gestürzt habe. Gala-Moderatorin Eckert
hatte anschließend darum gebeten, dass die bevorstehende Nationalratswahl
"nicht wieder in einer Schmierenkomödie endet".
Keine ZensurDen ORF, der die Gala gesendet hat, nahmen die beiden ÖVP-Politiker
ausdrücklich von ihrer Kritik aus. Khol befand es als richtig, dass diese
Passage in der Aufzeichnung nicht herausgeschnitten wurde, er sei "gegen
jede Zensur". Molterer bekräftigte, dass die ÖVP Beschwerde beim
Bundeskommunikationssenat wegen "Missbrauchs des ORF" einlegen werde.
Die Beschwerde richte sich aber nicht gegen den ORF, der in diesem Fall missbraucht
worden sei."Keine Ehre"Der ehemalige Burgtheaterdirektor Claus Peymann
hat sich entschlossen, auf den "Nestroy"-Theaterpreis zu verzichten.
"Unter dem Eindruck des unwürdigen Schauspiels und provinziellen Gezeters,
das um die Nestroy-Preisverleihung an mich ausgebrochen ist, bitte ich heute
die geschätzte Jury, den mir verliehenen Nestroy zurückzunehmen",
so Peymann am Dienstag. Er möchte nun "endgültig in dieser Stadt
und in diesem Land nichts mehr entgegennehmen und von niemandem geehrt werden".
Die WirklichkeitNestroy, der sein Leben lang unter den Zensurmaßnahmen
der österreichischen Administration gelitten hat, "dient ausgerechnet
jetzt der rechtskonservativen Partie als Vorwand, Zensur auszuüben",
so Peymann. Peymann sieht in Hellers Polit-Märchen das "Kabinettstück,
den schönen Schein des Theaters zu verlassen und in die schmerzhaft-bedrückende
Wirklichkeit vorzustoßen". Dies stehe in der "großen
Tradition des besseren Österreichs von Nestroy und Karl Kraus bis zu
Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek".Rücknahme der WahlempfehlungUnter
dem "Eindruck der derzeitigen Nestroy-Satire" revidiert Peymann
auch sein Vorhaben, keine Wahlempfehlung für die österreichische
Nationalratswahl abzugeben, da er fürchtete, dass seine "Empfehlung
dem Empfohlenen nur schadet und Stimmen kostet". Nunmehr empfiehlt der
derzeitige Leiter des Berliner Ensembles "allen österreichischen
und besonders den Wiener Theaterfreunden, unbedingt den amtierenden Bundeskanzler
Wolfgang Schüssel wiederzuwählen". Dies "vor allem deshalb,
damit Österreich auch in Zukunft Franzl Morak als genialer Kunststaatssekretär
erhalten bleibt und um Himmels Willen nicht als Kammerschauspieler ans Burgtheater
zurückkehrt", so Peymann abschließend.
(APA/red)