Nachrichten : Kultur
9.04.2002
Riss im Kopf
Wie ein Komet: zum Tod des Dramatikers Martin Sperr
P.v.B.
Plötzlich war er da, wie ein Komet. Und ist, durch ein Unglück,
so schnell, so früh verglüht. Martin Sperr war ein Urniederbayer,
aber sein Licht ging weit oben im Norden auf. In Bremen, wo 1965 das wildeste,
kühnste, genialste Theater der noch jungen, gerade aus dem Adenauer-Trott
erwachten Bundesrepublik über die Bühne tobte. Peter Zadek, Wilfried
Minks, später auch Peter Stein und Fassbinder und die Schauspieler Ganz,
Clever, Lampe, Glowna waren dort die Stars, und die Pop-Generation eroberte
erstmals ein Staatstheater. Martin Sperr muss da völlig verquer gewirkt
haben, ein 21-jähriger Hilfsarbeiter, Nachtportier und Statist, mit schwerer
Bajuwarenzunge. Doch die Nordlichter erkannten sofort, was er als sein erstes
Stück auf den Tisch legte. Es hieß "Jagdszenen aus Niederbayern",
eine düstere, blutige Nachkriegsgeschichte von geilen, bösen, bigotten
Dörflern, von Liebe, Mord und Totschlag. Das Stück, in Bremen uraufgeführt,
wurde preisgekrönt, der junge Autor, schon als bayerischer Büchner
gehandelt, landete sofort beim Suhrkamp Verlag, und Peter Fleischmanns Verfilmung
des Stoffs war 1968 / 69 ein Ereignis, Angela Winkler und Hanna Schygulla
spielten mit, und der Autor war der Hauptdarsteller, Berlinale, Locarno, Bundesfilmpreis.
Der Sperr schien ein Glückskind. Für Zadeks legendäres Bremer
"Maß für Maß" machte Sperr die neujugenddeutsche
Shakespeare-Übersetzung, und in München startete 1967 ein unbekannter
Regieassistent seine erste Inszenierung: Edwards Bond "Gerettet",
das berüchtigt Jugendgang-Stück mit dem gesteinigten Baby im Kinderwagen.
Sperr machte eine bayerische Fassung - und der Regisseur namens Peter Stein
war mit der Aufführung über Nacht berühmt. Auch Sperr schien
unaufhaltsam: Sein zweites Drama "Landshuter Erzählungen" und
dann "Münchner Freiheit" bestätigten sein Talent, mit
pointiert gesetztem Dialekt an einer neuen, sozialkritischen Heimatsaga zu
schreiben. Er war, noch vor seinem Landsmann Franz Xaver Kroetz, ein Wiedererfinder
des realistisch-poetischen Volksstücks: Nachfahre Ödön von
Horváths und der damals gerade wiederentdeckten Marieluise Fleißer.
Die Fleißerin erkor den Sperr und den Kroetz dann auch gleich zu ihren
wahren "Söhnen".
Der Erfolg hielt an. Zusammen mit Reinhard Hauff filmte er die linke Robin-Hood-Story
vom "Räuber Matthias Kneissl", und im Fernsehen glänzte
Sperrs Geschichte von der hinterfotzigen Münchner Bankengründerin
und Bankbetrügerin Adele Spitzeder. Dann kam das Unglück. Bei einem
Reifenwechsel platzte Sperr 1972 eine Ader im Hirn. Nach langem Koma wurde
er am Rande der Debilität erweckt, fand noch ein wenig zum Spielen und
Schreiben zurück. Aber wenn man ihn im Fernsehen oder auf Münchner
Kleinbühnen sah, war man erschrocken über den aufgeschwemmten Fleischberg
- und einen glasigen, weichen Menschen. Dessen Furor und Genie mit einem Schlag
zerstört waren. Für seine Bühnenversion der "Spitzeder"
erhielt er zwar noch 1978 den Mülheimer Dramatikerpreis. Doch der Sozialkritiker
war künstlerisch, menschlich ein Sozialfall geworden. Eine Tragödie.
Jetzt ist Martin Sperr in Landshut gestorben, mit 57 Jahren.
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Martin Sperr gestorben.
Sollte 1972 den Luwdig spielen, im zweiten Teil. Sein Unfall, kurz vor Drehbeginn, liess das Projekt fast platzen. Harry Baer, der Ludwig des ersten teils und der junge also, rettete, übernahm übernacht auch den ganzen spielfilmlangen anderen Ludwig. Die Maske seines Todes- unter dem Fallbeil war schon mit der abgenommenen Maske des M.S. gefertigt und blieb am Ende des Films die seine.
Begonnen aber hatte die Idee mit Martin Sperr als Ludwig, ihn nachzustellen , nach dem Bilde Ingres, wie der den Jupiter als alten Seher-Herrscher sah, mit dem Stab über den Wolken. So schon gab es ein polaroid der proben mit ihm im antiken Gewande, Ludwig also, umschmeichelt von d.geliebten Wesen.
Ohne ihn und wohl überhaupt, wurde daraus das Bild von geistigen Liebestod - so mit der Musik Wagners- für die Menschheit mit Hilfe Ingres, wie er ossian sah.