Dienstag, den 8.Januar

Brief H.Kohl Fortsetzung

So hätte ich denn dem Adressaten des oben verfassten Briefes doch unrecht getan? So, wie beschrieben, auf niederer Ebene der Interessen versagt zu haben. Vielleicht geschah , was ihm vorgeworfen werden muss, eher im Vollzug eines Drucks von aussen. Wie es jemand spürt. der in Deutschland regiert, in entscheidender Phase des höheren Landesintesses, was von ihm erwartet wird, zu tun oder zu unterlassen, damit das andere, hier die Wiedervereinignung damals, gelänge. Von westlicher Seite mehr, als durch Auflagen oder auch nur Wünsche vom Osten. Es war nicht die Sowjet Union, die wesentlich auf der auch förmlichen Auslöschungsakte Preussens in Potsdam 1945 bestand. Für Stalin war es ein Feind, den man besiegte, aber auch bewunderte. Die alten preussischen Strukturen im Keim zu ersticken, durch Wegnahme der realen Basis und der Ressourcen einer Kultur aus dem Lande, das ging weiter als Umverteilung der Güter nach östlicher Ideologie, das zielte auf eine Vernichtung ganz anderer Art, des Gewissens, das uns mahnt, hier in einer territorialen Gemeinschaft besonderer Ausprägung entstanden und organisert, hinderlich, wenn man die Welt anders zu organisieren beabsichtigte. Jenseits der materiellen Interessen und Strukturen. Auch, wenn ohne Macht , wie sie durch Throne abgesichert war, und lächerlich geworden oft heute und gerne gehöhnt durch läppische Medienexistenzen, gibt es da Unbeugsamkeiten und Treueverhältnisse und Kargheitsnormen der Radikalitäten undTotalität, auch eine Autarkie vdes Lebens aus Menschen untereinander und Tieren, Pflanzen und Jahreszeiten,als anderes Modell heutiger Globalität im Überschaubaren, ähnlich dem theater als Urbild des Films, nach anderen Masstäben des Denkens und Handelns und sei es in der hintersten Ecke des Reiches, jenseits der Grenzen und Latifundien auch ausserhalb der ständischen Privilegien, als Provinz des Verantwortens, was alles nicht mehr hochkommen sollte und durfte als auch real und örtlich zu benenndenes Refugium rechtlich gesicherter Restituion, auf Gütern, die andere, alle andern,ganz anders so verhement von der Geschichte und ihrer Akteuren einklagen.

In einer Zeit, in der es nicht mehr um Okkupationen von Ländern geht, wie dumm, wenn Mehrheiten entscheiden und Vernichtungen den Angreifer materieller Gewalt selbst gefährden, werden andere Grenzen überschritten. Nämlich die der Interessen, die zu besetzen sind, im Kampf um Märkte und Meinungen. Da darf nicht stören, was anders ist, in der Struktur des Fühlens, Entscheidens, der Haltungen, des Lebens und der Welt.

Das betrifft, neben den ganz realen Orten und Lebensformen in der Gemeinschaft auf anderer Basis, wie denen des Lebens aus dem Lande, auch als Zeichen der Herkunft und Geschichte der Dinge, die wir essen und die uns bekleiden, und wie zu bewirtschaften ist und wie man sich äussert oder trägt, eben auch die Äusserungen des Menschen , wie er sich und das darstellt, was ihm wichtig ist und, was er überliefert als unser aller Zeugnis auch an dem, was uns hier zu realisieren nicht möglich als Realität des Hiesigen und heute, die Kunst, wie sie sich einmal verstand.
So wird man nicht ohne Sinn mit Kleist heute und in diesem Land seine Schwierigkeiten haben. Wie verstehen, wenn Homburg als Zeugnis seiner äussersten Erniedrigung und todesnahen Demut sich bereit erklärt, falls man ihn nur leben liesse, aufs Land zu gehen, weg vom Hof und Zentrum, heute den Städten, als neue Stufe der Erkenntnis im Todesanblick , wenn es heute aussieht, schwärzer als der Tod, wo dieser selbst zur Müllhalde wird und Ekel des absoluten Nichts . Nicht ohne diesen bösen Sinn wurde dieser Homburg Oskar Werners Todesfuge, ein Jahr vor dem Tode nach 13 Jahren Rückzug aufs Land, verlacht von den Heutigen aus dem anderen Leben.
Und vielleicht ist es erlaubt, hier zu sagen, dass auch dieser Homburg/Kleist aus dem Geiste einer Frau dann möglich wurde, wie nochmal, wenn wir als Monolog wagten, was sonst nicht mehr denkbar schien, nun aber in einer Radikalität des Gedankens , wie er zu Form nur wird, aus jenem Geiste, des verwehrten, gerade im Ich seiner letzten Existenz in neuer Einheit und Erkenntnis, eines der da her kommt, was heute nicht erlaubt sei. Von der preussischen Schwester aus griechischem Gedanken, der Penthesilea, ganz zu schweigen ,die hier erst möglich erscheint, aus den Erfahrungen des Verlustes selbst, dessen, was verloren ging, aber noch erfahren, dem Kinde eigenes Terrain im Geiste Form geworden, alle Figuren in Eins. Im Gehäuse des Untergangs dieser geschIchtlichen Existenzen einer Kultur.

So mag man vielleicht verstehen, warum an diesem armen Orte mit weinendem Haus und stiller Traurigkeit so ein Getümmel herrscht an Zerstörungs-Wut und Hass der Abwehr, wenn da einer kommt und will, was sie alle nicht dürfen. Mythischer Zorn in der Geschichte von Epochen wie Familien zeigte sich früher so, mafios heute in niederen Gestalten als Räderwerk der Vernichtung mit Chor und Statisten ohne Helden, ohne ihr Wissen, was und warum und wozu sie es umtreibt, als Marionetten des Unbewussten, gehorsam dem Geschick, einer Historie, einer gefinkelten. die nun heute nicht will, dass das Verschwinden eine Furie ist, wo Dreck nur und kleine Bosheit unser Schicksal wäre, wenn wir es akzeptierten.
Aus dem Riss der Welt quoll vor dreissig Jahren, als der zweite bayerische Ludwig als Film noch zum Requiem wurde, mit kleinsten Mitteln der Poesie, eine Träne aus dem Schwarz des Abgrundes über die künstliche Welt eines fernen Königspanoramas unserer Imaginationen. Längst erkaltet ist sie heute. Still und traurig weint das Haus stumm und blind seines Herzens Gräue in die Unerbittlichkeit unseres Verhängnis letztes Trostes gedenkender Form.

 

 

 

 

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