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Sonntag, den 2.Juni


18 - aha

Die Fälle Jürgen W. Möllemann und Martin Walser: Die Elite und der Mob / Von Jan Philipp Reemtsma
Frank Schirrmacher hat erklärt, warum die FAZ den neuen Roman von Martin Walser nicht vorabdruckt (s. FR von gestern). Diese Entscheidung dürfte richtig sein und gut ist, dass der damalige Friedenspreis-Laudator sie begründet. Walser phantasiere, so hören wir, in seinem Roman die vermeintliche Ermordung eines alter ego von Marcel Reich-Ranicki namens André Ehrl-König. Schirrmacher sagt, was angesichts des dem deutschen Mordregime wider alle Wahrscheinlichkeit entronnenen Reich-Ranicki über so eine veröffentlichte Phantasie zu sagen ist. Ich fasse es kurz: es ist eine literarische Barbarei. Schirrmacher zitiert aus den Druckfahnen des Romans außerdem folgenden Satz: "Umgebracht zu werden passt doch nicht zu André Ehrl-König", und interpretiert ihn als Anspielung auf den unsterblichen ewigen Juden. Er hätte noch mehr sagen können. Walser jongliert nämlich mit einem der schlimmsten Sätze des von Reich-Ranicki verehrten, von Walser oft geschmähten Thomas Mann, den er anlässlich der Ermordung Theodor Lessings durch ein Nazi-Mordkommando geschrieben hat: ein solcher Tod passe zu ihm.
Wir werden jetzt wieder über Walser sprechen, dessen Rede in der Paulskirche für Ignatz Bubis der Anlass war, zu sagen, er habe nichts erreicht. Vielleicht wird der Skandal um Walser dazu führen, dass wir aufhören, über Jürgen Möllemann zu reden, von dem Paul Spiegel sagt, die Juden in Deutschland seien nach 1945 noch nie so beleidigt worden wie durch ihn. Aber eins verbindet Möllemann und Walser; beide haben sich zur Rechtfertigung ihrer öffentlichen Auslassungen auf den bloßen Umstand berufen, Applaus erhalten zu haben. Viel Applaus. Beide haben auf jenen Faktor gesetzt, in dem Hannah Arendt eines der Erfolgsmomente des Nationalsozialismus gesehen hat, das Bündnis von Elite und Mob. Das Projekt 18, das Möllemann der FDP aufgeschwatzt hat, soll wohl jugendlichen Überschwang an der Mündigkeitsgrenze signalisieren und zu dieser Jugendlichkeit gehört auch, dass Möllemann im Neuen Deutschland eine Kolumne mit dem Titel "Die neue Zeit" schreibt, die den europaweiten Rechtspopulismus als Emanzipation der Demokraten hochleben lässt und dafür prompt Beifall von Jörg Haider erhält.
Was sind die Schlagworte des Populisten Möllemann? Zum Beispiel, dass man in Deutschland die Politik Scharons nicht kritisieren dürfe. Dafür erhalte er Beifall. Das ist ziemlich verrückt: die Politik Scharons wird mehrheitlich kritisiert. Möllemann hat gesagt: "Herr Friedman muss akzeptieren, dass Kritik an der israelischen Regierung erlaubt ist." Die Unterstellung, Friedman habe jemals etwas anderes gesagt, ist bodenlos. Es gibt einen überparteilichen Konsens: die Existenzberechtigung Israels anzuerkennen. Dieser wird auch von Möllemann nicht in Frage gestellt. Er sagt nur, dass er, wenn Deutschland angegriffen würde, kämpfen würde, auch im angreifenden Land. Das war im Kontext der Selbstverteidigung Israels gegen Terrorangriffe im eigenen Land eine eindeutige Rechtfertigung des palästinensischen Terrorismus, aber wörtlich hat er das natürlich nicht gesagt.
Möllemann hat allerdings gesagt, dass Michel Friedman den Antisemitismus schüre. Diese Aussage hat er inzwischen als unbedacht bezeichnet: "Ich war zornig und bin aus der Haut gefahren", denn es sei "nicht fair" gewesen, ihn "einen Antisemiten zu nennen." Wenn man jemanden einen Antisemiten nennt, dann muss man wohl darauf gefasst sein, dass der so Genannte zur Widerlegung des Vorwurfs prompt den klassischen antisemitischen Topos äußert: die Juden seien schuld am Antisemitismus. Irgendwas muss an denen doch faul sein, dass wir sie seit Jahrhunderten verfolgen. Aber Antisemitismus, so Möllemann, sei mit "seinem liberalen Menschenbild unvereinbar". Antisemitismus hätte auch mit einem christlichen, mit einem sozialistischen, mit einem aufklärerischen Welt- oder Menschenbild unvereinbar sein sollen und ist es nicht gewesen. Was ist das, Bauernfängerei oder Ignoranz, oder das Bündnis von Elite und Mob im eigenen Kopf?
Es gibt Antisemiten, deren Denken und Handeln vom Antisemitismus beherrscht wird, der Typus Streicher oder Hitler. Die sind gut zu erkennen und niemand würde wohl Möllemann dieser Gruppe zurechnen. Wir leben aber in Europa und hier gehört nun einmal der Antisemitismus zu den traditionsreichsten Glaubensrichtungen, und auch dort, wo man sich nicht mehr zu ihm bekennt, ist er im allgemeinen Gefühlshaushalt überall latent präsent. Es kann vielen passieren, dass ihnen bei einem Klischee oder einem Argument plötzlich wohl wird, bloß weil es so vertraut klingt. So wie Norbert Blüm, der von einem israelischen "Vernichtungskrieg" spricht, um das Wort endlich einmal nicht nur auf den deutschen Krieg gegen die Sowjetunion und die Ermordung der Juden durch SS und Wehrmacht anwenden zu müssen, sondern um es auf den Krieg der Söhne und Enkel der Opfer beziehen zu dürfen.
Es ist unrealistisch, zu hoffen, irgendeine europäische Nation - und speziell die deutsche oder österreichische - könne 50, 60, 70 und mehr Jahre nach dem Holocaust von solchen Affekten frei sein. Es ist eben aus diesem Grunde unerlässlich, zu verlangen, dass solche Affekte erkannt und benannt werden. Es ist intellektuell unreif und politisch verantwortungslos, im Namen eines Generationswechsels, einer neuen Zeit oder einer allfälligen Historisierung oder Normalisierung eine diesbezügliche Aufmerksamkeit als "Alarmismus" zu denunzieren.
Jürgen Möllemann richtet seine Strategie politischer Meinungsäußerungen augenscheinlich an den Anforderungen aus, die an ihn als Lobbyisten gestellt werden. Möllemann ist ein Populist und weiß, dass man den Leuten einreden kann, man führe sie an, obwohl man bloß hinter ihnen herrennt - und dass man sich auf diese Weise an die Spitze einer so geschaffenen Bewegung setzen kann. "Emanzipation der Demokraten" eben. Möllemann scheint aber auch gewissen Affektstürmen ausgeliefert zu sein, wie er hartnäckig demonstriert. Daher stammt das lustige Wort seiner Parteifreunde vom "Quartals-irren". Noch streiten die Statistiken darüber, wie erfolgreich der Populismus von Möllemann ist. Dass, wie ein seit Neuestem umlaufender Witz behauptet, das Projekt 18 darum so heiße, weil die Neonazis gerne einen Buchstaben-Zahlen-Code verwendeten, also einen Treff darum Club 88 nennen, weil H der achte Buchstabe des Alphabets ist und 88 Heil Hitler bedeuten soll, ist nicht mal als Witz besonders gut. Dass ihn möglicherweise irgendein Vollzeitirrer aus der Neonazi-Szene ernstnimmt und darum FDP wählt, hat Möllemann durch sein Gerede möglich gemacht.
Es geht darum, Grenzen zu ziehen. Schirrmacher hat dies getan. Politikerinnen und Politiker der FDP haben das bisher nur angekündigt.
Der Autor ist Vorstand des Hamburger Instituts für Sozialforschung.
 
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Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 31.05.2002 um 21:08:48 Uhr
Erscheinungsdatum 01.06.2002
 

 

 

Israelische Panzer rücken in Nablus ein

Truppen durchkämmen Flüchtlingslager im Westjordanland / Armee meldet zwei Festnehmen
Ungeachtet der internationalen Vermittlungsbemühungen im Nahen Osten ist die israelische Armee am Freitag im Westjordanland in die Städte Nablus und Kalkilja sowie das Flüchtlingslager Balata eingedrungen. Palästinensische Menschenrechtler begrüßten das neue Grundgesetz.


SPIEGEL ONLINE - 01. Juni 2002, 12:53
URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,198937,00.html
Wahlkampf
 
Bundeskanzler will FAZ-Herausgeber treffen
Aus Termingründen, schrieb Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Jahresbeginn den Herausgebern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, könne er einer Einladung zum vertraulichen Plausch leider nicht folgen. Das erlesene Führungsgremium hatte den Kanzler zu einem Hintergrundgespräch gebeten, die Absage hinterließ die Herren not amused.
Nun kommt die Wende: Am vergangenen Donnerstag entschied die Schröder-Vertraute und Büroleiterin des Kanzlers, Siegried Krampitz, dass der Regierungschef doch Zeit haben wird. Nach dem Parteitag, so die interne Festlegung, soll den Herausgebern ein festlicher Essenstermin angedient werden - mittags oder abends.
Möglicher Grund der Kehrtwende: Die "FAZ" hatte sich - vor allem in dem von Frank Schirrmacher geleiteten Feuilleton -entschieden gegen den Rechtsruck der FDP gewandt und in einem offenen Brief an Martin Walser den Abdruck von dessen neuestem Roman wegen der darin enthaltenen antisemitischen Klischees abgelehnt.  
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Und wir?

Sidonie