KULTURSENATOR FLIERL
"Ein Schloss sollte man nicht klonen"
Der Berliner Kultursenator Thomas Flierl (PDS) will die Rekonstruktion des Stadtschlosses auf Kosten des Palastes der Republik verhindern und hofft auf eine dritte, zeitgenössische Lösung. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE fordert Flierl für die zukünftige Hauptstadt-Kultur eine Lösung nach Wiener Vorbild.
DDP
Kultursenator Flierl: "Die Vergangenheit kann nicht rekonstruiert werden"SPIEGEL ONLINE: Herr Flierl, Ihr Chef, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, hat das Ende des "Palastes der Republik" verkündet. Blutet Ihnen als bekennendem Anhänger der DDR-Architektur da das Ost-Herz?
Thomas Flierl: Der Regierende hat diese Schlussfolgerung voreilig getroffen. Bundesregierung und Berliner Senat haben sich für eine öffentliche Nutzung des zukünftigen Gebäudes an der wichtigsten Stelle der Hauptstadt ausgesprochen - und nicht für einen Abriss des Palastes.
SPIEGEL ONLINE: Damit haben Sie Zeit gewonnen, um Ihrer Klientel im Osten die schlechte Nachricht noch etwas zu verschleiern?
Flierl: Nein, die gute Nachricht lautet: Wie der Palast wird das neue Gebäude öffentlich und kulturell genutzt werden. Mit dieser Entscheidung wird die Verkürzung der Debatte über die Zukunft des Schlossplatzes auf die Frage "Palast oder Schloss?" beendet.
SPIEGEL ONLINE: Das nennt man Dialektik. Sie haben die Idee des Palastes gerettet und können den Bau getrost opfern?
Flierl: Der Palast wird durch die Nutzung des neuen Gebäudes aufgehoben. In ihm sollen vor allem Museen, Bibliotheken, Ausstellungen, universitäre Einrichtungen unterkommen. Ich plädiere auch für eine Integration des "Hauses der Kulturen der Welt" und des früheren "Hauses der Demokratie" in das neue Gebäude. Die Menschen sollen sich hier im Angesicht von Geschichte, Kultur und Wissen begegnen und über ihre Zukunft diskutieren können. Wie viel dann auch baulich vom Palast noch übrig bleibt, wird in einem Architektur-Wettbewerb entschieden.
SPIEGEL ONLINE: Was würden Sie gerne retten?
DPA
Palast der Republik in Berlin Mitte: "Versöhnendes Moment zwischen Ost und West"Flierl: Das hängt von der Nutzung ab. Vielleicht können der Volkskammersaal, das Foyer oder der Große Saal in den Neubau integriert werden.
SPIEGEL ONLINE: Sie lehnen den Wiederaufbau des Schlosses ab?
Flierl: Das neue Haus soll in den Umrissen des alten Schlosses errichtet werden. Aber der Neubau muss sich architektonisch sowohl mit dem Palast als auch mit dem Schloss auseinander setzen. Darin kann ein versöhnendes Moment zwischen Ost und West liegen.
SPIEGEL ONLINE: Wofür sind Sie denn nun?
Flierl: Wenn in Berlin an diesem Platz die Mitte des wiedervereinten Deutschlands neu definiert wird, sollte dies auch die Architektur leisten. Ganz offen: Ich hoffe auf eine zeitgenössische, dritte Lösung. Die Rekonstruktion des Schlosses allein könnte dem Anspruch der Neubestimmung der Mitte der Stadt nicht gerecht werden. Die Vergangenheit kann nicht rekonstruiert werden. Auch ein Schloss sollte man nicht klonen.
SPIEGEL ONLINE: Aber wäre es nicht eine Art Wiedergutmachung, wenn ein PDS-Senator nun für den Aufbau jenes Schlosses eintritt, das die SED einst schleifen ließ?
Flierl: Eine Auferstehung des Schlosses als gebauter Schlussstrich - das wäre ein absurder und wenig glaubhafter Ablasshandel. Dafür bin ich nicht zu haben.
DPA
Attrappe des Stadtschlosses (1993) in Berlin: "Wenig glaubhafter Ablasshandel"SPIEGEL ONLINE: Wie soll das neue Gebäude Ihrer Meinung nach heißen?
Flierl: Die Namen Palast und Schloss stehen für Vergangenes und verbieten sich von selbst. Aber warum nicht ein "Haus" oder "Bürgerforum des Wissens und der Kultur"?
SPIEGEL ONLINE: Wann könnte mit dem Bau begonnen werden?
Flierl: Wenn sich Land, Bund und die zukünftigen Nutzer jetzt auch über ein Finanzierungskonzept verständigen, könnte der Architektur-Wettbewerb 2004 ausgeschrieben werden. Möglicher Baubeginn wäre dann 2005.
SPIEGEL ONLINE: Können sich Deutschland und Berlin ein solches Haus überhaupt leisten?
  
IN SPIEGEL ONLINE
 
·  Kulturprojekte: Der Kanzler lässt Berlin nicht hängen (16.05.2002)
·  Berliner Stadtschloss-Debatte: Auch Löcher können ein Denkmal sein (17.04.2002)
·  Berliner Anmerkung: Kanzlerspielplan in der Staatsoper? (24.04.2002)
·  Antritts-Interview mit Thomas Flierl: "Respekt ist eine besondere Kultur" (10.01.2002)  Flierl: Eine Gesellschaft lebt von Projekten, die Gemeinwesen stiften. Dieses Haus kann und soll dies leisten - bundesweit übrigens ein einmaliges Vorhaben. Und wir müssen uns dies dann auch finanziell leisten. Zu sagen, wir machen da nix, wir haben kein Geld, wir bepflanzen den Platz oder überlassen ihn allein Privatinvestoren, die uns eine bloße Erinnerung bauen. Das wäre gesellschaftlich ein Armutszeugnis.
SPIEGEL ONLINE: Aber das hochverschuldete Berlin kann doch nur darauf hoffen, dass letztlich der Bund zahlt.
Flierl: Das Haus ist ganz klar ein nationales Projekt - wie die Museumsinsel...
SPIEGEL ONLINE: ...für die der Bund ja nun weitgehend aufkommt.
Flierl: Aber auch Berlin trägt weiter Kosten für die Museumsinsel. An diesen Fragen zeigt sich aber, wie nötig die Debatte über den Sinn einer Hauptstadt in einem föderalen Land ist. Welche gesamtstaatliche Verantwortung besteht für neue Projekte wie das am Schlossplatz? Welche für das Erbe Preußens? Welche Verantwortung haben Bund und Länder für Gedenkstätten wie die in der früheren Stasi-Zentrale in der Normannenstraße?
SPIEGEL ONLINE: Ihre Antwort?
Flierl: Die Antworten soll - dafür hat sich inzwischen auch der Bundeskanzler ausgesprochen - eine Kommission beim Bundespräsidenten entwickeln.
SPIEGEL ONLINE: Und womöglich die Legitimation dafür liefern, dass der Bund endlich Berlin die Staatsoper abnimmt?
DPA
Strittiges Prestige-Projekt Museumsinsel: "Das Verhältnis zwischen Bund und Berlin bis heute nicht bestimmt"Flierl: Natürlich geht es in der Konsequenz auch um Einrichtungen wie die Staatsoper, die den Landeshaushalt einfach überfordern. Momentan wirken alle Versuche des Berliner Senats, den Bund mehr in die Verantwortung für die Hauptstadt-Kultur einzubeziehen, etwas hilflos. Was wir auch tun, es wirkt so, als wollten wir Projekte und Verantwortung einfach abschieben. Deswegen bin ich froh, dass eine Hauptstadt-Kommission nun diese absolut notwendige Debatte führt. Sie soll auch Vergleiche mit anderen Ländern anstellen.
SPIEGEL ONLINE: Das haben Sie sicher bereits getan.
Flierl: Ich bin von dem Wiener Modell sehr angetan. Österreich hat die Monarchie 1918 abgeschafft und die Verhältnisse zwischen Bund und der Stadt Wien geordnet. Für die Einrichtungen des früheren Hofes in Wien trägt der Bund die Verantwortung - und Österreich ist unbestreitbar ein föderales Land.
SPIEGEL ONLINE: Ein Vorbild für Deutschland?
Flierl: Preußen hat die Monarchie überlebt und wurde formal 1947 aufgelöst, aber das Verhältnis zwischen Bund und Berlin bis heute nicht bestimmt. Das muss jetzt - nach der deutschen Einigung und dem Umzug der Regierung nach Berlin - endlich definiert werden. Warum nicht nach dem Vorbild Österreichs? Der Erhalt der früheren preußischen Kultureinrichtungen, des musealen Erbe Preußens und der Gedenkstätten für die Nazidiktatur und die politische Unterdrückung in der DDR sind jedenfalls nicht allein Sache des Landes Berlin.
Das Interview führten Stefan Berg und Holger Stark

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Samstag, den 25.Mai

Ulbricht/Honecker spricht(2002)den Bock zum Gärtner gemacht.
Bock?

Nutzer, nutzen, Investor.
So wollten sie es.
Entsorgen. Kapitalisieren. Und bauten sich selben einen Palast. Nach voriger Leere: ihrer.

Auch in Russland wurde die von Stalin niedegerissene Erlöserkirche in wenigen Jahren nach der Wende im ausgebluteten Land wiedererrichtet. Nach Napoleons Niederlage gebaut und für das grösste Lenindenkmal der Welt beseitigt, später beliebtes Sportstadium. Total aus dem Nichts. Alle nationalen Gedenkfeiern jetzt finden dort ihren Ort als Zeichen Geschichte, wenn sie falsch gelaufen, zerstörerisch, zu korrigieren.

Hier sind für Berlin auch andere Lösungen denkbar. Aber immer mit Inhalten eigener Geschichte. siehe (*)

Der Vorbesitzer der Rubensbildes Meleager und Atalante ist gefunden.(Vor den Händlern)
Davon mehr demnächst.