Übersetzung

Der zweite Augenblick des Einverständnisses ist der Prinz von Homburg. Der große Kleist, Sinnbild der deutschen Tragödie. In einem  Sinn ist er ist der Größere, geht über Goethe hinaus - der der Größere ist in der poetischen Herrschaft über die deutsche Sprache - auf der Höhe der theatralischen Stärke, Kleist durchdringt ihn und verlässt seine Leinwand,  verlässt die Bühne, während Hölderlin, von seiner Seite, die deutsche poetische Sprache in seinen Hymnen zerreißen wird. Und diese beiden Söhne Goethes, von ihm verkannt, vergessen, vernachlässigt, so wider Willen gefördert (se  poussés du revers de la main). Besser behandelt, glaube ich, von Schiller, großmütiger, der der Autor des Verses ist, den ich in Syberbergs Schrift ahne: "der eine Frau eroberte, die er sich eroberte, zu unserer Freude"  (F.Schiller: "wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein") .  Alle diese weiblichen Körper, die durch die Hölle gingen und emportauchen aus der Höhle (der Erinnerung) entweder in der Gestalt der Verdammten  oder der Erlösung als Heimgekehrte. Er gibt uns das was "grandios ist im Lebenswerk" gemäß den letzten Seiten von Nietzsche. Und ich glaube, dass jener Wille der Gestaltung des weiblichen Körpers im Stande ist, der  höhnenden Macht der Hölle entgegenzutreten.  

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... was Kant das formlose Objekt  nannte, das übrigens die Vorhalle des Sublimen in der Kritik der reinen Vernunft  ist. Dieses geheimnisvolle, formlose Objekt erscheint bei Kant mitten in seiner Unerbittlichkeit und Strenge, seiner Starre ... ich glaube, dass wir dies mit der letzten Botschaft Syberbergs  durchdringen -

doch können wir es nicht hören und nicht lesen, ohne Die Nacht   wieder zu sehen und wieder zu hören, die für mich ein Moment einer außergewöhnlichen und bezaubernden (=behexenden) Schönheit ist.  Ebenso war Die Nacht  ein Punkt des Erstahlens durch eine zentrale Figur, wie eine Art Kirchenfenster, von Edith Clever bewohnt - Da gibt es keine Heroinen, da gibt es nur weibliche Körper, mehr oder weniger zerstört durch die Hölle oder mehr oder weniger schattenhaft durch die Höhle. Aber ich habe den Eindruck, darin einen Gesamtsinn Syberbergs wiederzuerleben - durch eben dieses lange Sprechen ohne Zeichensetzung, das die HÖHLE DER ERINNERUNG ist

Ich glaube, dass das filmische Werk Syberbergs zugleich unser europäisches Labyrinth und unser uns führender Zeitfaden ist. Es ist dieser führende Faden, den die deutsche Philosophie in der Natur sucht - bei Kant, bei Schelling.

"Das gebieterische Spiel der Welt mischt das SEIN auch den SCHEIN, die ewige Narrheit hier bunt durcheinander".

Es ist das "Verweile doch, Du bist so schön", das seine Erfüllung erreicht in der Beschwörung des weiblichen Körpers. Der  ist der Punkt des Universums, die nach innen gerichtete materielle Implosion, hervorgegangen aus dieser Quanten-Nacht  physikalischer Begriff, aus diesem initialen Quanten-Chaos  -- und jetzt dann haben wir,  kurioserweise, einen Moment NULL, und nach diesem Moment, wo diese galaktische Unermesslichkeit, dieser Aufwand, diese Vergeudung von Energie, die sich bis an die Grenzen fortjagt, bis an den Lärm des Urgrunds im Universum, den wir  jetzt hören können, das heißt: den wir den Vibrationen des ersten Augenblicks entreißen, wendet sich all das zurück in die Erscheinung des lebendigen Moleküls, das sich gerade nun im weiblichen Körper der Spezies Mensch  niederschlägt, wo das Auge der Kamera zum Gestalter wird - in diesen körperlichen Tiefen, in diesem Rätsel eines Schoßes, Blicke schaffend. Das bildhauerische Werk des Auges  ist es, das uns erlaubt, das Universum als  Landschaft zu sehen, in der Saftigkeit des Waldes (ein Wort von Descartes) und dann das Blau des Himmels oder des Ozeans, das den Griechen vielleicht grün erschien (nach Nietzsche) . Schließlich ist es das Auge der Kamera, ist es  die fiebrige Kamera von Syberberg, die um vier Leben tanzt gemäß Platon, Faust, Homburg, Mozart - via Werner.

Vom Requiem Ludwigs II. zum Requiem Mozarts, das heißt von Werner, das heißt "Requiem aller Musik der Welt" - man  kann nicht weiter gehen als das LACRIMOSA nach dem 8. Takt. Ich hatte übrigens einem Orchester nahegelegt, die Bogen beim 8. Takt zu erheben, ohne die vom geistigen Sohn Mozarts komponierte Suite Tonfolge hinzuzufügen. Dieses  Anheben des Bogens sehen wir im Film Syberbergs, der gut eine "Letzte Erinnerung" ist, nicht erzwungenermaßen die letzte des Ganzen, sondern der für uns eine Meditation über das letzte Ende

Im zweiten Film sieht man die Kellerräume mit dieser Art Bullaugen, die zu nichts führen, man kann sie nicht auf ein  Licht öffnen - es sei denn verrottet. Man kann hier vielleicht nur eine Archivsammlung finden ... eine schweigende Archivsammlung, die selbst ohne jeden Sinn ist, wenn  man nicht den Blick neu entzündet und das Auge der Kamera  neu formt, das hervorgegangen ist aus dem weiblichen Schoß, dem Schoß  des "ewig Weiblichen" Goethes - oder der "ewigen Narrheit" Nietzsches ... die Arbeit des Lebendigen, die die Arbeit des Blickes ist und  die die filmische Montage ist. Eine Montage im entgegengesetzten Sinne dessen, was normalerweise eine Montage ist, die nämlich alles an seinen Platz setzt in geregelter Form und dies für einen Film von extremer Heftigkeit, eines  Schusses - wie der Film es zeigen soll - von Feuerstößen.  Hier nicht, es sind die Feuerstöße des Blickes, um die es geht.

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