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Die Nachricht von seinem Tode kam 11 Tage später durch seinen Anwalt. Im Krankenhaus, das er zuletzt aufgesucht, wusste man nicht wer er war. So ging man ans Amtsgericht und von dort erfuhren es sein Anwalt und so die Freunde  und die Presse.
Nach einem neuerlichen Herzanfall war er in das Herzzentrum gegangen. Von dort wurde er überstellt an die nächste Klinik zur Nachbehandlung in der Nähe seiner Wohnung. Einer der Zeitungsleute  hatte ihn noch kurz zuvor zuhause getroffen, matt und bärtig, aber in frisch geweißter Küche. Der hatte das letzte Stück zum Abdruck erhalten, von Mutter und Bruder und sich als Sohn, als lange Nacht, der Windel-Schlüpfer und  bösen Streitereien, mit Rückblick auf das Vaterleben und Kindheit, Ost- und Westsituationen, noch mal alles durch. Bis in das Grab der Mutter, hochfliegend am Ende. Das doch. Auch sagte er die Tagebücher zu, seit dem neunten Jahre geschrieben, was sein Verlag nicht mehr wollte. Den letzten Weg in das Krankenhaus nahm er allein, wie zur Routine, blieb über Nacht, wie es hieß,  und lag am Morgen, nach dem Frühstück, tot im Bett. Und keiner wusste, wer er war. So oft auf den Bühnen zuletzt gestanden, im Jubel am Ende, unter so viel Getreuen um sich.
Zur Beerdigung am Ort seiner Geburt und Kindheit in S. kam keiner der amtierenden Intendanten seiner  Theater, wo er seine Größe bewiesen und  denen er viel gebracht, kam kein Vertreter der Stadt, in der er lebte oder aus der Stadt, die nun den grössten Sohn zu Grabe trug. Letzte Worte sprach ein alter Freund, der aus der Bibel sprach, des Jeremias, ohne Feier der Kirchen, aber ein Kirchenmann. Das O Haupt voll Blut und Wunden klang mager als Zettel verteilt, das Vater unser  klang kläglich. Von den Nächsten war da die Lebens-Freundin über die  vielen  Jahre, von der er sich getrennt zuletzt oder sie sich von ihm, zwei Kinder waren gekommen von den vieren der verschiedenen Mütter, und der Bruder kam auch, so Freunde über die Jahre auch der Theater, einige seiner Chöre von weit her aus Wien bis zum Fuße des Harz nun. Die grosse Freundin, die er in Wien versäumt hatte, erreichte das Grab zwei Stunden später und war allein mit ihm. Das Auto war irgendwo stecken geblieben, wie sie sagte. Er hatte sie als Dialogpartnerin sich vorgestellt einst, auf der Wilhelmstrasse in heutiger Gestalt, streitend zum Zeichen des Endes der Geschichte so. Zu der er Formen fand aber keine Worte.
Heiß schien an diesem Tag die Sonne wie der Regen strömte über den einsamen Gang des Komponisten des dies irae, den er sich zuletzt gewählt, zum letzten Bild des Freundes, den er verloren hatte, in letzten Jahren. Einsam über das Feld im Elend seines Ruhms, zu dessen Figur er jetzt wurde
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